
Vielleicht ist das so eine dicke Sorte, meinte Anni letztens, als wir unseren riesigen Kater Bruno betrachtet haben – riesig in Länge und Breite. Vor kurzem hat er sich in ein winziges Kistchen auf der Veranda gerollt. Ohne diese Katzen wäre mein Leben sehr viel weniger reich, sie erhellen mein Gemüt immer wieder neu.
Ich liebe das Leben hier sehr: Die Unmengen Früchte, die uns dieser Sommer geschenkt hat, die herbstlichen Morgen seit einiger Zeit, die Sträußchen aus Zinnien, Ringelblumen, Eisenkraut, Bischofskraut, Hasenschwanzgras, im Sommer in den hängenden Vasen in den Weiden, jetzt hier in der Wohnung auf dem Esstisch. Manches blüht immer noch unermüdlich und gestern war eine junge Frau mit ihrer Familie hier, die Gemüse geerntet hat und noch einen wunderbaren Herbststrauß mit nach Hause nehmen konnte. Sie war ganz beseelt, so schön. Ich liebe es, wenn die Katzen irgendwann im späten Frühling anfangen, in ihren Mulden im hohen Gras rumzuliegen. Bruno mag den Platz unter dem Lavendelbusch so gern.

Und an einem der letzten Grasmuldentage habe ich es dieses Jahr tatsächlich geschafft, eine Gazpacho zu machen – eigene Tomaten und Gurken, eigene Paprika und sogar Wassermelone aus unserem Garten. Zubereitet in unserer Camperküche, die immer wohnlicher wird, während eines Besuchs meiner lieben Schwester aus München. Sie hat diesen Spätsommertag konserviert, indem sie ein paar Gläser Tomatensauce vom Blech für sich eingemacht hat.
Unser Quittenbäumchen hat ganz gut getragen und das noch sehr junge Esskastanien-Bäumchen hat eine einzige wertvolle, stachelige Kugel durch den Sommer gebracht, mit 2 Kastanien darin, jeweils knapp über 20g. Auch dank unserem Baumexperten Jegge wird unser Garten immer essbarer, das ist ein schönes Gefühl.

Bei all dieser Freude sehe ich mir oft dabei zu, wie ein Teil von mir eine tiefe Schwermut empfindet. Wie sollte man auch nicht schwermütig werden in dieser Welt. So viel läuft auf so komplexe Art schief, dass ich den Eindruck habe, dass wir da nicht mehr rauskommen. So viel bedingt sich gegenseitig, ist verstrickt, ja verknotet. Wo ist der Anfang dieses Knäuels? Die Gesellschaft, dieses erkrankte System, braucht Kümmerer, um zu gesunden; Menschen, die sich unser aller mentalen und physischen Gesundheit annehmen, die ein Gefühl haben für die Wurzeln von Traumata, die wir fast ausnahmslos alle und so auch die Gesellschaft mit sich herumtragen. Aber diese Menschen können oft nicht (über)leben von ihrem Kümmern, sind zu wenige, sind selbst viel zu stark beansprucht, weil die Prioritäten in unserem System nicht dort liegen, wo sie gut wären. Bin ich schief gewickelt oder die Welt? Manchmal bekomme ich das nicht geordnet in mir. Welchen Weg wähle ich für mich? Wie bleibe ich selbst heil? Halte ich Klappe oder mache ich den Mund auf? Wo verorte ich meine ureigenen Grenzen und die der Menschen, die in meiner Obhut stehen, sprich meine Tochter? Wie kommuniziere ich diese Grenzen? Meine gute Freundin schickt mir als Antwort auf diese Fragen den Text „Hold your own“ von Kae Tempest, außerdem einen der vielen Berichte über die Hafenarbeiter, die es immer wieder verweigern, Militärgüter nach Israel zu verschiffen.
Während all das zeitgleich in mir fließend klingt, Schwermut, Stärke, ein neues Gefühl von mir selbst, das da gerade aufkeimt, und eine stille, starke Freude, entsteine ich Zwetschgen für einen Kuchen, spreche mit Jegge, der an der Verandatür geklopft hat. Er kommt manchmal vorbei, um nach den Bäumchen zu schauen, die er veredelt oder gepflanzt hat. Ich lade ihn zum Mittagessen ein, weil gerade Helfersamstag mit unserer SoLawi ist. Alle Beerensträucher wurden an dem Tag geschnitten, Hochbeete für Erdbeeren und Heidelbeersträucher fertig gestellt. Damit hatte eine Gruppe des Ferienlagers Anfang August bereits begonnen. Wir hatten einen schönen, sonnigen Spätsommernachmittag an jenem Samstag.

Zwischenzeitlich sind wir beim Ernten mitunter fast im Matsch versunken. Unsere neue FÖJlerin Jolie hat die Praktikantin von der Waldorfschule Wetterau mit dem Schlauch komplett abgespritzt – sie hatte super Regenklamotten dabei 😊
Dem Knollensellerie und den Roten Beten tut es gut, wenn sie nochmal Wasser aufnehmen können, bevor sie geerntet und eingelagert werden.
Nun ist er da, der Herbst, wir sammeln täglich Walnüsse, haben Birnen geerntet und jede Menge Äpfel.
Zwei Apfelsaft-Termine stehen an: Am 11. und am 18.10. sammeln wir zusammen mit Mitgliedern der SoLawi die Äpfel für den Saft und essen dann noch gemeinsam zu Mittag – jedes Jahr ein Highlight.
Wollt ihr dazukommen? Oder kennt ihr jemanden, der/die sich für die SoLawi interessiert und uns kennenlernen möchte? Meldet euch an unter 0151-28596800.

Die erste Kürbissuppe gab es schon dieses Jahr, auch die zweite und dritte. Eine gemeinsame Kürbisernte-Aktion mit der SoLawi gibt es dieses Jahr nicht. Letztens waren die Nachttemperaturen nah an 0 Grad und weil wir nicht viele Kürbisse hatten, haben wir sie reingeholt. Unser Partner Tillman Striffler, der ja seit Jahrzehnten (vor ihm war es sein Vater) für uns Möhren und Kartoffeln anbaut, hatte eine super Kürbis-Ernte, auch Zwiebeln und Pastinaken werden wir von ihm bekommen können. Er ergänzt unser Angebot und wir vernetzen uns auf Betriebsebene, das ist eine sehr schöne Kooperation.
Der kugelige Ahorn, der sich immer von rechts oben beginnt, herbstlich zu färben, hat schon eine goldene Ecke in der Krone. Und die Katzen liegen dekorativ auf der Häkeldecke auf dem Sofa herum.
All das erdet mich, unterstützt mich beim Bei-mir-bleiben.
Wie ist es bei euch? Fühlt ihr euch geordnet, verbunden?
Seht ihr euren Weg und euren Platz deutlich vor euch?
Wie oft könnt ihr euch treu bleiben, ohne im Außen Kriege zu führen?
Habt ihr einen Menschen, der euch die richtigen Fragen zur richtigen Zeit stellt?
Oder die passenden Gedichte schickt? 😊 Ich wünsche es euch!
But
When time pulls lives apart
Hold your own
When everything is fluid
Nothing can be known with any certainty
Hold your own
Hold it `til you feel it there
As dark and dense, and wet as earth
As vast and bright, and sweet as air
When all there is, is knowing
that you feel what you are feeling
Hold your own
Aber
Wenn die Zeit Leben auseinanderreißt
Hold your own*
Wenn alles in Bewegung ist
Nichts mit Sicherheit gewusst werden kann
Hold your own
Halte es, bis du es fühlst
So dunkel und dicht und feucht wie Erde
So weit und hell und süß wie Luft
Wenn alles, was da ist, das Wissen ist,
dass du fühlst, was du fühlst
Hold your own
* Jede Übersetzung für diese Zeile (Hold your own) hinkt, deshalb lasse ich sie unübersetzt. Wörtlich übersetzt „Halte dein eigenes“, kann es, wenn ihr reinfühlt etwas heißen wie: Bleib bei dir, bleib dabei,
lass dich nicht abbringen...
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